S AYURVEDA: Dharma und Gesundheit
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Spirituelle Aspekte im Ayurveda

Die Kategorie »Spirituelle Aspekte im Ayurveda« beinhaltet wichtiges Wissen über den Zusammenhang von Gesundheit und Leben im Einklang mit der göttlichen Ordnung.

Dharma und Gesundheit

Im Ayurveda-Klassiker Caraka-Saṃhitā wird dharma als das Fundament von Gesundheit und Glück bezeichnet. Dharma in der vedischen Kultur bedeutet Religion, religiöse Pflichten, göttliches Gesetz und beinhaltet Rechtschaffenheit, Tugendhaftigkeit, Ausführung von Opfern zu Vishnu (die Persönlichkeit Gottes) und den devas (Halbgötter, Repräsentanten Vishnus), Studium der shastras (offenbarte Schriften), ahimsa (Gewaltlosigkeit), Barmherzigkeit, japa (ständiges Wiederholen heiliger mantras), Demut, Erweisen von Ehrerbietungen zu rishis (Weise), devas und anderen ehrwürdigen Personen. Durch dharma erlangt der Mensch Glück, Zufriedenheit, Gesundheit und erreicht mokṣa, das Höchste Ziel, das Befreiung vom Kreislauf von Geburt und Tod und die Erkenntnis Gottes bedeutet und das nur in der menschlichen Lebensform erlangt werden kann.

Man sollte seinen Lebensunterhalt durch Tätigkeiten sichern, die nicht im Widerspruch zu dharma (religiöse Pflichten) stehen, und man sollte ein friedfertiges Leben führen und nach Erkenntnis streben durch das Studium der Veden. Dharma ist keine Erfindung von Menschen, dharmam tu sakṣad bhagavat-pranitam – dharma kommt von Bhagavan, dem Höchsten Herrn. Ein Mensch, der an Glück und Gesundheit interessiert ist, sollte dharma kennen und sich vor Tätigkeiten hüten, die adharma (irreligiös) sind. Durch dämonische Mentalität1 hat der Mensch eine Hölle auf Erden geschaffen, in der es schwer geworden ist, dharma zu befolgen. Dämonische Philosophien relativieren dharma oder machen es verächtlich, und die Menschen sind heute so verwirrt, daß sie nicht mehr unterscheiden können zwischen dharma und adharma.

Dharma – universell und zeitlos gültig – ist zu einem bloßen Glauben herabgewürdigt worden und wird selbst von Leuten, die sich für fromm oder religiös halten, nicht akzeptiert und mißachtet. Es ist kein Zufall, daß Agnivesa in Caraka-Saṃhitā das Kapitel über die tägliche Routine zur Erhaltung der Gesundheit mit dem Rat beschließt, keine Tätigkeiten auszuführen, die im Widerspruch zu dharma stehen. Es kann keine vollkommene Gesundheit ohne dharma geben. Dharma ist das Fundament auf dem Gesundheit, Wohlstand und Glück ruhen.2

Dharma, artha, kama, mokṣa (religiöse Pflichten, wirtschaftliche Entwicklung, Sinnengenuß und Befreiung) – diesen vier Prinzipien können kranke Menschen nur schwer oder überhaupt nicht folgen. Das menschliche Leben beginnt mit der Erfüllung vorgeschriebener religiöser Pflichten und endet [oder sollte enden] mit der Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod. Wenn dharma von Krankheit behindert wird, rückt mokṣa in weite Ferne” – (Caraka-Saṃhitā, Sutrasthana).

So dachten einige Weise, die sich einst an einem glückverheißenden Ort im Himalaya versammelt hatten, bevor sie Ayurveda von den Göttern erhielten.

Ayurveda wurde ursprünglich gelehrt, damit Menschen ihre Gesundheit erhalten bzw. fördern können für dharma, artha, kama, mokṣa. Heute leben die meisten Menschen nur für artha (wirtschaftliche Entwicklung) und kāma (Sinnengenuss) oder sie leben durch widrige Umstände im Elend. Als Folge davon sind sie krank und unzufrieden und erlangen keine Befreiung von ihren Leiden. Aus vedischer Sicht kann von Gesundheit keine Rede sein, solange man noch unter dem Diktat des materialistischen Geistes, der auf Sinnengenuß und Beherrschung der materiellen Natur fixiert ist, handelt. Was nützt der sportlichste und gesündeste Körper, wenn der Mensch seine wahre Identität vergißt? Der gesunde, sportliche Mann oder Frau mag kurzzeitig Ruhm erlangen und seinen/ihren Ehrgeiz durch Applaus törichter Menschen belohnt sehen, aber was nützt dies dem ewigen Lebewesen? Schnell rennen, schnell schwimmen etc. – das können andere Lebewesen besser, dafür braucht man keinen menschlichen Körper. Und was nützen Reichtum und Macht, was nützen uns sog. wissenschaftliche Erkenntnisse? – diese Dinge dienen lediglich der Verlängerung des Daseins eines Lebewesens in der materiellen Welt und damit der Verlängerung seiner Leiden.

Die menschliche Lebensform bietet die Möglichkeit der Selbst- und Gotteserkenntnis und der Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod. Ein intelligenter Mensch sollte sie nutzen. Zu diesem Zweck wurde von Srila Vyasadeva und anderen großen Weisen das vedische Wissen inklusive Ayurveda aufgezeichnet und nicht damit die Menschen endlos ihre materiellen Wünsche erfüllen können.

Die Identifikation der bedingten Seele unter dem Einfluß von rajas und tamas (Eigenschaften der Leidenschaft und Unwissenheit) mit dem jeweiligen Körper, in dem sie gerade haust, gilt als krankhafter Zustand, da das Selbst ewig ist und das verkörperte Dasein ohne Gottesbewußtsein ein unnatürlicher Zustand ist. Ein Fisch wird sich niemals wohlfühlen auf dem Lande, selbst wenn man ihm noch soviel schmackhafte Speisen, Medizin, Maschinen etc. gibt, genauso kann sich das spirituelle Lebewesen niemals im Zustand der Unwissenheit wirklich wohlfühlen. Man mag sich auf verschiedenste Weise betäuben und sein Leid, seine Sehnsucht und seine wahre Natur zeitweilig vergessen, aber in dieser Betäubung ist Glück nur eine Vorstellung gleich einer Fatamorgana, einem Schloß in den Wolken.

Um aus dem (Alb)traum des materiellen Daseins zu erwachen, muß man Zuflucht suchen bei Gott selbst, indem man sich von Weisen und Heiligen, die in Selbst- und Gotteserkenntnis fortgeschritten sind und die die heiligen Schriften kennen, unterweisen läßt, über ihre Unterweisungen meditiert und sie befolgt. Dadurch wird man mit der Zeit selbst weise und kann andere unterrichten, die dann ihrerseits geläutert werden und das spirituelle Wissen weitergeben können.

In Caraka-Saṃhitā (Sutrasthana 11.14-15) heißt es:

»Die śāstras (offenbarte Schriften) erklären, daß die unpersönliche Auffassung vom Leben, alles sei aus Zufall entstanden, es gäbe keine Ursache und keinen Verursacher, kein Selbst, keinen Höchsten Kontrollierenden, keine Wissenden, keine Götter, kein karma und kein karmaphala (karmische Reaktionen), die größte aller Sünden ist. Man sollte diese unpersönliche, falsche Sicht aufgeben und die Realität mit den Augen der shastras sehen (śāstra-cakṣuh).«

In der Aufzählung von prominenten Dingen, Eigenschaften und Effekten wird der Nihilist in der Gruppe von Menschen, denen man aus dem Weg gehen sollte, als prominent genannt.

Leider wird Ayurveda heutzutage manchmal von sog. Autoritäten und Lehrern der Wissenschaft vom Leben (aus Unwissenheit oder welchem Grund auch immer) unpersönlich und materialistisch interpretiert – keine Spur von der Persönlichkeit Gottes, dem Höchsten Herrn, der die Quelle des Ayurveda und der Ursprung und das Ziel aller Persönlichkeiten, die in dieser Welt von Körper zu Körper wandern, ist. Sri Bhagavan, der Höchste Herr, sagt in der Bhagavad-gita:

sarvasya cāham hṛdi sanniviṣṭo mattah smṛtir jñānam apohanam ca | vedaiś ca sarvair aham eva vedyo vedānta-kṛd veda-vid eva cāham
„Ich weile im Herzen eines jeden, von mir kommen Erinnerung, Wissen und Vergessen. Das Ziel aller Veden ist es, Mich zu erkennen. Wahrlich, ich bin der Verfasser des Vedanta und Ich bin der Kenner der Veden.”
— Bhagavad-gītā 15.15

Die zahllosen Lebewesen in dieser Welt sind Personen und der Ursprung, der Ruheort und die Zuflucht aller Lebewesen ist ebenfalls eine Person. Bhagavan bedeutet „derjenige, der unbegrenzten Reichtum, unbegrenztes Wissen, unbegrenzten Ruhm, unbegrenzte Entsagung, vollkommene Schönheit, unbegrenzte Macht besitzt”. Reichtum, Ruhm, Wissen, Entsagung, Schönheit und Macht sind Dinge, nach denen die Lebewesen streben, die sie aber nur in sehr begrenztem Ausmaß erlangen können.

Die spirituelle Dimension, oder überhaupt der Zweck des Ayurveda besteht letztlich darin, den Menschen ein Mittel in die Hand zu geben, mit dem sie ihre Gesundheit erhalten und fördern und Krankheiten beseitigen können, damit sie ungehindert Tätigkeiten für das Erreichen des Höchsten Zieles – Befreiung und Rückkehr nach Hause zu Gott – ausführen können.

Anmerkungen

1 Eine Haltung der Mißachtung der Lebewesen und des Schöpfers, die auf falschen Vorstellungen beruht (skrupelloses Besitz- und Machtdenken, Hedonismus etc.)

2 Interessierte Leser mögen die vedischen Schriften (Mahābhārata, Bhagadvad-Gītā, Manu-Saṃhitā etc.) studieren.