Bild Header

Ayurveda – Allgemeines

Zur Geschichte des Ayurveda

»Als die Menschen vor langer Zeit immer öfter von Krankheiten heimgesucht wurden, die ihre Lebensspanne verkürzten und die Frommen daran hinderten, dharma (religiöse Pflichten) zu befolgen, sich tapas (Bußen und Entsagung) aufzuerlegen, die Vedas zu studieren, yajñas (Opfer) auszuführen, usw., versammelten sich Angira, Vasishtha, Kashyapa, Punarvasu Atreya, Gautama, Pulastya, Agastya und viele andere Maha-rishis (große Weise), die immer um das Wohl aller Lebewesen bemüht sind, an einem glückverheißenden, himmlischen Ort in den Bergen des Himalaya, der von Kinnaras, Gandharvas und anderen Himmelsbewohnern gerne aufgesucht wird und berieten sich, wie den Menschen zu helfen sei, da sie Mitleid mit ihnen empfanden.

„Dharma, artha, kama, mokṣa (religiöse Pflichten, wirtschaftliche Entwicklung, Sinnengenuß und Befreiung)1 – diesen vier Prinzipien können kranke Menschen nur schwer oder überhaupt nicht folgen. Das menschliche Leben beginnt mit der Erfüllung vorgeschriebener religiöser Pflichten und endet [oder sollte enden] mit der Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod (mokṣa). Wenn dharma von Krankheit behindert wird, rückt mokṣa in weite Ferne.“ So dachten die großen Weisen und suchten nach einer Lösung des Problems. Da erkannten sie Indra, den König der Devas (Halbgötter) und anderer Bewohner der himmlischen Planeten, der auch als Shakra und Amaraprabhu (Herr der Unsterblichen) bekannt ist, als ihren Retter. Sie entsandten Bharadvaja, um von Indra das Mittel der Beseitigung von Krankheiten zu erbitten. Und so empfing der Weise Ayurveda vom überaus mächtigen Herrscher der Himmelsbewohner. Indra hatte diese Wissenschaft von den beiden Ashvini genannten Ärzten der Halbgötter empfangen, diese wiederum wurden von Prajapati Dakṣa, einem großen Halbgott, unterrichtet, und Dakṣa empfing das Wissen von Brahma, dem Schöpfer des Universums.

Da die rishis selbstbeherrscht waren, einen scharfen Intellekt und ein exzellentes Gedächtnis besaßen, waren sie fähig, einmal Gehörtes jederzeit zu erinnern und wiederzugeben, ohne dass sie sich mit Niederschreiben aufhalten mußten. Bharadvaja kehrte mit den erhaltenen Unterweisungen zu jenem Platz im Himalaya zurück und gab das Wissen an alle versammelten Weisen weiter.

Später unterrichtete Atreya Muni seine sechs Schüler Agnivesha, Bhela, Jatukarna, Parashara, Harita und Ksharapani in Ayurveda. Agnivesha verfaßte als erster ein Kompendium, das von den Weisen mit großem Applaus gepriesen wurde. (Dieses Kompendium wurde später als Agnivesha-tantra berühmt.)

Dann begann ein göttlicher Wind zu wehen und die Devas ließen als Zeichen ihrer Freude Blumen vom Himmel herabregnen. So gesegnet konnte Ayurveda nun den Menschen gelehrt werden. . .« (— Caraka-Saṃhitā, Sutrasthanam)

Man liest manchmal Ayurveda sei vor 3500 oder 5000 Jahren entstanden. Jedoch sind solche Spekulationen nach den Aussagen der Caraka-Saṃhitā falsch. Ayurveda existiert ewig, ist manchmal auf der Erde manifestiert und manchmal nicht. Noch nicht einmal die Aufzeichnung von Agniveshas Kompendium läßt sich auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegen. Und selbst wenn man der Aufzeichnung des Agnivesha-tantra und des Atharva-veda, zu dem Ayurveda in bezug steht, ein bestimmtes Datum zuordnen könnte, bedeutet dies nicht, dass Ayurveda zu diesem Zeitpunkt entstanden ist.

Das vedische Wissen wurde vor dem Beginn des kali-yuga, unserem jetzigen Zeitalter (vor ca. 5000 Jahren – diese Zahl basiert auf den Schriften), mündlich weitergegeben. Selbst wenn man also die Ewigkeit des Ayurveda anzweifelt, kann man doch nicht behaupten, dass Ayurveda zu dem Zeitpunkt entstanden ist, als es das erste Mal schriftlich aufgezeichnet wurde.

Aus obigem Textauszug der Caraka-Saṃhitā läßt sich schließen, dass es in früheren Zeitaltern, bevor Bharadvaja das Wissen von Indra empfing und es den Weisen im Himalaya lehrte, auf der Erde für aryas (die zivilisierte, vedische Bevölkerung) offensichtlich keine Notwendigkeit dafür gab.

Eine andere Schule des Ayurveda geht von Dhanvantari, einer Inkarnation Sri Vishnus, aus. In der Sushruta-Saṃhitā heißt es, dass Brahma, die Schöpfergottheit, die Wissenschaft vom Leben als Teil des Atharva-Veda in 100.000 Versen mit 1000 Kapiteln verfaßte, noch bevor er das Universum mit seinen drei Welten (höhere, himmlische Planetensysteme, mittlere Planetensysteme inkl. Erde und untere, hollische Planeten) erschuf. Nachdem Brahma das Universum erschaffen hatte, unterrichte er seine Söhne und andere Weise in verschiedenen Bereichen des vedischen Wissens.

Er unterrichtete den Halbgott Daksha im Ayurveda. Prajapati Daksha gab das Wissen weiter an die beiden Asvini genannten Ärzte der Halbgötter. Die Asvinis unterrichteten Indra, den König der himmlischen Planeten. Indra gab die Wissenschaft vom Leben weiter an Dhanvantari, der heute als Avatara der Medizin bekannt ist, mit der Bitte, Ayurveda auf der Erde zu lehren, damit die Menschen, in voller Kraft und frei von Krankheiten, ihre religiösen Pflichten erfüllen und so Fortschritt auf dem Pfad der Vollkommenheit machen können. Dhanvantari erschien auf der Erde als Divodasa, König von Kasi und unterrichte Sushruta und andere Schüler im Ayurveda. Sushruta verfaßte vor ca. 2500 Jahren ein Werk über Ayurveda, das bis heute, neben Caraka-Saṃhitā, als das wichtigste Werk über Ayurveda gilt.

Anmerkungen

1 siehe: dharma-artha-kama-mokṣa